16.04.2019

Großes Interesse am West-Nil-Virus

"West-Nil-Virus – Info-Veranstaltung für Tier- und andere Mediziner" – so lautete das Thema einer Tagung, die am 12. April in Gießen stattfand. Nachdem dieser Erreger im vergangenen Jahr erstmals bei Wildvögeln in Deutschland festgestellt wurde und angesichts zweier Pferde sowie eines Menschen, die sich infiziert hatten, bestand erhöhte Aufmerksamkeit und die Tagung war mit etwa 100 Teilnehmern sehr gut besucht. Veranstalter waren die Fachgruppe "Pferdekrankheiten" der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) mit Sitz in Gießen und die Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen. Die Tagung fand im Medizinischen Lehrzentrum in der "Alten Chirurgie" auf dem Gelände des Fachbereiches Humanmedizin statt.

Das West-Nil-Virus wird von Stechmücken zwischen wild lebenden Vögeln übertragen. Jedoch können die Mücken den Erreger auch auf Säugetiere, vor allem Pferde, und den Menschen übertragen. Das Virus tritt endemisch in verschiedenen Regionen aller Erdteile auf. In den USA wurde es erstmals 1999 festgestellt und fand in den folgenden Jahren rasche Verbreitung mit Zehntausenden erkrankten Menschen und auch mit zahlreichen Todesfällen. In Süd- und Osteuropa kam es in den vergangenen Jahren ebenfalls zu Ausbrüchen oder vereinzelten Übertragungen. 2018 wurde das West-Nil-Virus erstmals bei 12 Wildvögeln sowie bei zwei Pferden in Deutschland diagnostiziert. Ein Tierarzt in Bayern hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den direkten Kontakt mit einem verendeten Wildvogel angesteckt.

Angesichts dieser Situation war das Interesse an der Vortragsveranstaltung in Gießen groß und die Teilnehmer hatten nach jeder Präsentation zahlreiche Fragen an die Referenten. Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Kerstin Fey von der Klinik für Pferde am Fachbereich Veterinärmedizin der JLU stellte Dr. Matthias König, Virologe am Fachbereich Veterinärmedizin in Gießen, den Erreger aus virologischer Sicht vor. Er betonte, dass Pferd und Mensch Fehlwirte seien und das Virus nicht weiter verbreiten würden. Daher sei es auch nicht erforderlich, erkrankte Pferde oder Menschen zu isolieren. Eine Übertragung sei jedoch auch durch Blut- oder Organspende möglich. Beim Menschen verliefen 80 Prozent der Infektionen subklinisch, 20 Prozent zeigten grippeähnliche Symptome. Bei unter einem Prozent der Patienten trete die neuroinvasive Form mit Beteiligung des Nervensystems in Form einer Gehirnentzündung auf. Die Letalität bei diesen Erkrankten betrage 15 bis 40 Prozent.

Dr. Ute Ziegler (Friedrich-Loeffler-Institut, Greifswald-Insel Riems) ging auf die Situation in Deutschland ein. Hier gebe es verstärkte Monitoringuntersuchungen von Wildvögeln, Pferden und Mücken. Der heiße Sommer 2018 habe dazu beigetragen, dass sich die Viren in den sie übertragenden Mücken schneller entwickelten und dadurch eine Ausbreitung begünstigten. Eine Prognose für dieses Jahr zu treffen, sei allerdings nicht möglich. In ihrem zweiten Vortrag erläuterte sie, dass bei Pferden eine Impfung erhältlich sei, sich geimpfte und infizierte Pferde durch eine Blutuntersuchung derzeit jedoch nicht unterscheiden lassen. Denn das Blut von beiden enthalte Antikörper gegen das West-Nil-Virus und die Differenzierung zwischen gegen das Impf- bzw. das Feldvirus gerichteten Antikörpern sei noch nicht möglich.

 

Prof. Dr. Michael Lierz von der Klinik für Vögel, Amphibien, Reptilien und Fische in Gießen stellte die Infektion mit dem West-Nil-Virus bei Vögeln dar. Insgesamt sei die Erkrankung bei 287 Arten beschrieben, darunter u. a. Greifvögel und Eulenarten. In Deutschland gebe es große kommerzielle Falkenzüchter, die Tiere in den Mittleren Osten exportierten und von möglichen Krankheitsausbrüchen betroffen wären, ebenso wie Projekte zur Auswilderung von Wildvögeln.

Prof. Dr. Karsten Feige (Klinik für Pferde der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover) stellte die Symptome einer Infektion mit dem West-Nil-Virus bei Pferden dar. Auch hier zeige die Mehrzahl der betroffenen Tiere keine Symptomatik. Durch die mögliche Ansiedelung im Nervensystem könnten jedoch auch entsprechende Symptome wie Störungen im Bewegungsablauf, Lähmungen etc. auftreten. Eine Therapie gebe es nicht, die Behandlung müsse symptomatisch erfolgen. Bei 90 Prozent der erkrankten Pferde erfolge eine vollständige Genesung nach ein bis sechs Monaten. Eine Prophylaxe sei durch Impfungen sowie durch ein entsprechendes Haltungsmanagement möglich (u. a. Insektenbekämpfung).

Das Thema der Prophylaxe durch Impfung griff auch Dr. Franziska Aumer (Boehringer Ingelheim Vetmedica, Ingelheim) auf. Die Impfung schütze zwar nicht vor einer Infektion, verhindere jedoch weitestgehend die klinische Ausprägung. Derzeit seien in Deutschland für Pferde zwei Impfstoffe gegen das West-Nil-Virus erhältlich. Auch die Impfung von Eseln sei möglich. Sie berichtete, dass die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin empfiehlt, Pferde in den bereits betroffenen Gebieten und Pferde, die in betroffene Gebiete verbracht werden sollen, gegen das West-Nil-Virus zu impfen.

Nach dem Vortragsprogramm standen die Referenten noch für Fragen zur Verfügung. Abschließend kann die Situation der Infektion mit dem West-Nil-Virus mit einem Zitat von Prof. Feige beschrieben werden: „Die Lage ist ernst, jedoch nicht besorgniserregend.“

Die DVG mit Sitz in Gießen ist die wissenschaftliche Gesellschaft der Veterinärmedizin und eine der größten tiermedizinischen Dachorganisationen in Deutschland. Ihr gehören über 5700 Mitglieder an, die in 39 Fachgruppen organisiert sind und sich mit allen Gebieten der Tiermedizin befassen.

Kontakt:
Dr. Marion Selig, DVG, Öffentlichkeitsarbeit
Friedrichstr. 17, 35392 Gießen, Telefon 0641 – 2 44 66, info@dvg.de