Wer war eigentlich Martin Lerche?

Martin Lerche gilt als Begründer der Lebensmittelhygiene als einer eigenständigen Wissenschaft. Diese ist durch ihn zu einem festen Bestandteil der tierärztlichen Ausbildung und des öffentlichen Veterinärwesens geworden.

Für die DVG ist Lerche von herausragender Bedeutung, da er als Mitbegründer unserer Gesellschaft deren Belange von 1953-1965 als 1.Vorsitzender vertrat.

Am 19. Mai 1892 in Mücheln/Sachsen-Anhalt geboren, legte er seine Reifeprüfung 1912 am Städtischen Gymnasium in Mühlhausen in Thüringen ab. Er nahm – mit Unterbrechungen zum Studium an der Militär-Veterinär-Akademie – am 1. Weltkrieg teil, den er als Feldunter- und Feldhilfsveterinär beendete. Im August 1919 erhielt er die Approbation an der Tierärztlichen Hochschule Berlin und wurde im Mai 1920 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover mit einer Dissertation "Die Kokzidiose der Schafe" zum Dr. med. vet. promoviert. 1920 bis 1925 war er Assistent am Bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer Halle/Saale. 1924 legte er das Veterinärratsexamen für Preußen ab. Von 1925 bis 1933 war er Abteilungsvorsteher und stellvertretender Direktor am Bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer Breslau. 1930 habilitierte er sich als Privat-Dozent für Bakteriologie und Hygiene an der Universität Breslau mit einer Habilitationsschrift "Abortus-Bang-Bakterien in Milch und Milchprodukten". 1933 wurde er als o. Professor und Direktor des Instituts für Nahrungsmittelkunde an die Tierärztliche Hochschule Berlin berufen.

Nach Eingliederung der Tierärztlichen Hochschule in Berlin in die Friedrich-Wilhelm-Universität wurde das Institut als Institut für Lebensmittelhygiene bezeichnet. 1947 bis 1948 war Lerche Dekan und 1945 bis 1947 sowie 1949 bis 1951 Prodekan der Veterinärmedizinischen Fakultät der Humboldt-Universität (Berlin-Ost).1951 gehörte Lerche zu den Männern der ersten Stunde, die an der Freien Universität Berlin-West die ursprüngliche Abteilung Veterinärmedizin an der Medizinischen Fakultät ins Leben riefen.

Die Abteilung verselbstständigte sich noch 1951 rasch zur Veterinärmedizinischen Fakultät im Rahmen der Freien Universität Berlin. Lerche wurde der 1. Dekan dieser neu geschaffenen Fakultät und gleichzeitig 1951 Direktor des Instituts für Lebensmittelhygiene, dem er bis 1960 vorstand. Am 1. Oktober desselben Jahres wurde Lerche emeritiert.

Am Anfang seines wissenschaftlichen Werkes standen Arbeiten über ansteckende bakterielle und parasitäre Erkrankungen der Schlachttiere. Die Problematik der Zoonosen und ihrer lebensmittelhygienischen Aspekte hat ihn Jahrzehnte hindurch beschäftigt. Systematischen Untersuchungen über Häufigkeit und Verbreitung der Salmonellose der Schlachttiere und ihre Bedeutung für Erkrankungen des Menschen stammen aus seiner Feder. Sie führten bereits 1936 zur Errichtung einer "Zentralstelle zur Bestimmung der Salmonellabakterien-Typen" an seinem Institut.

Nicht weniger wichtig sind die Arbeiten über Brucellose, die sich – ähnlich wie die Salmonella-Untersuchungen – wie ein roter Faden von seiner Habilitationsschrift bis zur Emeritierung durch sein wissenschaftliches Werk ziehen.

Im Zusammenhang damit stehen viele Arbeiten aus dem Gebiet der Milchhygiene, vor allem zum heute nach wie vor aktuellen Problem der Mastitis. Hygiene und Gewinnung und Verarbeitung von Lebensmitteln, Entwicklung von Konservierungsverfahren, Verwendung von Zusatzstoffen und grundlegende Untersuchungen über die menschliche Intestinalflora sind weitere wichtige von Lerche bearbeitete Themen.

Im Jahre 1953 gründete Lerche – mit Unterstützung von Professor Spörri (Zürich) – gemeinsam mit der Verlagsbuchhandlung Paul Parey das "Zentralblatt für Veterinärmedizin", dessen erstes Heft am 25.07.1953 erschien. Er war bis Ende 1962 verantwortlicher Schriftleiter des "Zentralblattes". Lerches Sinn für "Neuentwicklungen" beschränkte sich aber nicht auf das Zentralblatt für Veterinärmedizin. Von 1940 bis 1944 war Lerche Herausgeber der "Tierärztlichen Rundschau". Von 1952 bis 1961 war er verantwortlicher Schriftleiter der "Berliner und Münchener Tierärztlichen Wochenschrift". Auch nach Übernahme der Schriftleitung durch Professor Boch blieb er Mitglied der Herausgebergemeinschaft.

Das bedeutendste wissenschaftliche Werk von Lerche ist das "Lehrbuch der Tierärztlichen Lebensmittelüberwachung", dessen 1. Auflage er gemeinsam mit den Professoren Goerttler und Hemmert-Halswick im Jahre 1942 im Schaper-Verlag herausbrachte. Die 2. Auflage gab er im Jahre 1957 gemeinsam mit Goerttler und Professor Reinhold Grau im Schaper-Verlag heraus.

Im Paul Parey Verlag veröffentlichte Lerche im Jahre 1966 das "Lehrbuch der tierärztlichen Milchüberwachung", von dem im Jahr 1969 eine spanische Ausgabe bei dem Verlag Editorial Acribia, Zaragoza, erschien.

In den Jahren 1960 bis 1964 gab Lerche im Paul Parey Verlag die vierteilige, völlig neugestaltete 7. Auflage des von der Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz übernommenen Werkes Schroeter/Hellich "Das Fleischbeschaugesetz nebst zusätzlichen Verordnungen und Gesetzen" heraus, deren 1. Teil 1960, 2.Teil 1960, 3. Teil 1961 und 4. Teil 1964 erschien.

Lerche hat viele Ehrungen erfahren:

Aus Anlass seines 65. Geburtstages wurde er durch die Veterinärmedizinische Fakultät der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Dr. med. vet. h.c promoviert, 1972 erhielt er aus Anlass seines 80. Geburtstages die Ehrendoktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München.

1957 wurde ihm die Silberne Max-Eyth-Medaille der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) verliehen. 1977 erhielt er als erster die Professor-Rievel-Medaille in Gold.

Aus Anlass seines 75. Geburtstages stiftete die DLG zu Ehren von Lerche die "Martin-Lerche-Medaille", die Persönlichkeiten verliehen wird, die sich in ähnlicher Weise wie Professor Lerche um die Förderung der Deutschen Fleischwirtschaft verdient gemacht haben. Lerche war Träger des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Würdigungen von Professor Lerche erschienen u.a. am 15. Mai 1957 in der BMTW (alle Beiträge dieses Heftes Nr. 10 waren ihm gewidmet), im Oktober 1960 (aus Anlass seiner Emeritierung) in der Zeitschrift "Die Fleischwirtschaft", am 15.05.1962 (aus Anlass seines 70. Geburtstages) in der BMTW und im Juni 1972 (zu seinem 80. Geburtstag) in der "Schlacht- und Viehhof-Zeitung.

Am 25.10.1980 verstarb Martin Lerche im Alter von 88 Jahren.

Lerche hat die DVG in ihren ersten Jahren maßgeblich mit geprägt. Heute umfasst unsere Gesellschaft alle wissenschaftlichen Fachrichtungen der Veterinärmedizin, und die Fortschritte in der biologisch-medizinischen Wissenschaft sind auch den Mitgliedern unserer Fachgruppen zuzuschreiben. Durch die Bildung neuer Fachgruppen und ihre Zusammenarbeit mit den jeweiligen internationalen Verbänden hat die DVG den Strukturwandel der tierärztlichen Wissenschaft unterstützt und gefördert.

Eine wesentliche Aufgabe der DVG war es seit ihrer Gründung, veterinärmedizinische Forschungsergebnisse schnell und allgemeinverständlich zu vermitteln und so aufzubereiten, dass der in der beruflichen Praxis tätige Tierarzt in der Lage ist, sie für sich zu verwerten. Die DVG ist dadurch auch zu einem wesentlichen Träger der von der damaligen Deutschen Tierärzteschaft initiierten "Akademie für tierärztliche Fortbildung" geworden.

Lerche bleibt bis heute der gute Geist der DVG. Zu seiner Zeit hat er eine mögliche Zersplitterung der DVG verhindert, und es ist zu einem großen Teil sein Verdienst, dass die DVG heute als starker und einflussreicher Zentralverband die Deutsche Veterinärwissenschaft im In- und Ausland repräsentiert.

Literatur

  • Boch J: Prof. Dr. Dr. h. c. Martin Lerche † 25.10 1980,10980,BMTW 93 (24)
  • Großklaus D: Prof. Dr. med. vet. Dr. med. vet. h. c. Dr. med. vet. h. c. Martin Lerche verstorben, 1981, Deutsches Tierärzteblatt 29 (1): 3-4
  • Hartwigk: Martin Lerche zum 60.Geburtstag, 1952, BMTW 65 (5): 99
  • Mayr A: Martin Lerche zum Gedächtnis, 1980 (Archiv der DVG)
  • Renk: Herrn Prof. Dr. Lerche zum 65.Geburtstag,1957, BMTW 70 (10): 201-240
  • Schönberg F: Prof. Dr. M. Lerche 60 Jahre alt, 1952, DTW 59 (19/20): 159
  • Schönberg F: Prof. Dr. Martin Lerche zum 65. Geburtstag,1957, DTW 64 (10): 247
  • Schriftleitung/Verlag der BMTW: Prof. Dr. Dr. h. c. Martin Lerche 80 Jahre, 1972, BMTW 85 (10):200